Das neue Album, ein bombastbeladenes Werk, lehrt die Grufties das Gruseln. Der Dark-Wave der Neunziger enthält plötzlich die Endlos-Rock-Elemente der Siebziger, die Achtziger erkenne ich gar nicht wieder, und die laufende Dekade scheint nach wie vor auf der Suche nach einer Identität zu sein.
Wie siehst du «Inferno»?
TILO WOLFF: Ich sehe es als eine Möglichkeit, wie sich der Gothic-Rock heute entwickeln könnte. «Inferno» deutet klar auf die Ursprünge der Gothic-Musik, entwickelt sie jedoch weiter und konfrontiert sie mit neuen Aussagen und Hintergründen. Eines meiner Hauptanliegen dabei ist zu demonstrieren, daß die Musik einer «individuellen» Szene auch mehr Individualität aufweisen sollte. Meiner Meinung nach definiert sich «Inferno» hauptsächlich durch seinen Inhalt und nicht durch seine Zugehörigkeit zu einer Musikrichtung. Somit ist es im Grunde scheißegal, ob man es als Gothic oder sonst etwas einordnet.
Wie ist LACRIMOSA entstanden?
TILO WOLFF: Seit ich denken kann, versuche ich mich an der Umsetzung meiner Gedanken und Gefühle in Form von Erzählungen und Lyriken. Irgendwann wollte ich meinen Texten eine neue Dimension geben und habe zu der Lyrik «Seele In Not» eine Musik geschrieben. Das hat sich dann sehr schnell zur Sucht entwickelt, die ich heute LACRIMOSA nenne.
Ich habe mir sagen lassen, daß man dich seit Jahren als den Menschen kennt, wie er sich rein optisch auf der Bühne präsentiert, d. h. im Outfit der Kombination «Rokoko-Dark-Wave», das den 80er Look entscheidend geprägt hat. Wie wichtig ist dieses Erkennungszeichen heutzutage noch?
TILO WOLFF: Ich verwende dieses Outfit nicht als Erkennungszeichen oder ähnliches, sondern weil es mir gefällt. Es wäre ziemlich dumm, sich davon etwas zu erhoffen, da ich mir mit diesem Outfit im Laufe der Zeit mehr Feinde als Freunde gemacht habe. Ich war in dieser Szene zu Hause, lange Zeit bevor ich mit LACRIMOSA angefangen habe. Warum hätte ich mein Outfit plötzlich ändern sollen?
Welche Rolle spielt diesbezüglich das Image im Leben von LACRIMOSA?
TILO WOLFF: Im Grunde keine. Natürlich versucht jeder Künstler, sich ein Image zu verschaffen, um sich dahinter als Mensch ein wenig zu verstecken. Auch Lacrimosa wird ein bestimmtes Image haben, da aber immer so viele Gerüchte im Umlauf sind, die mein Image ständig erneuern, stehe ich selbst nur staunend daneben.
Wie entsteht die Musik LACRIMOSAs?
TILO WOLFF: Meist läuft es so ab, daß ich zuerst den Text schreibe, mich ans Klavier setze und die Musik komponiere. Danach schreibe ich die Orchester-Arrangements oder tüftele verschiedene Einfälle und Beats aus. Im Studio wird alles mit spontanen Einfällen geschmückt, wobei ich immer darauf achte, daß ein Song aus ganzer Seele entsteht.
08. April, 1995, Intro.de
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