Fragen über Fragen, dabei auch recht persönliche, gingen zu unserem Leserinterview mit Tilo Wolff und Anne Nurmi bei uns in der Redaktion ein und an einem kalten Februartag setzten sich die zwei dann zusammen, um ihre Antworten dazu in den Computer zu tippen. Tilos und Annes Originaltext lest ihr hier!
Wie geht ihr mit eurem Erfolg um?
TILO WOLFF AND ANNE NURMI: Erfolg ist, denke ich, sehr relativ. Es kommt darauf an, aus welchen Beweggründen jemand Musik macht. Solange wir uns in unserer Musik verwirklichen können und dazu jede Freiheit haben, ohne uns irgendwelchen Strömungen oder Trends unterwerfen zu müssen, was auch eine gewisse finanzielle Unabhängigkeit voraussetzt, die sich darauf stützt, dass jemand unsere Platten kauft, dann bedeutet , das für uns Erfolg.
Zudem ist es sehr wichtig, Medienberichte, egal ob schmeichelhaft oder niederschmetternd, sowie der Gerüchteküche wenig Beachtung zu schenken, sodass man sich selbst nicht irgendwann als öffentliche Person empfindet, die dann beginnt anders zu denken und zu handeln. Eine gewisse Abgeschiedenheit gehört also leider zwangsläufig dazu. Aber so lässt es sich eigentlich ganz gut mit allem umgehen, was die Musik so mit sich bringt.
Wie würdet ihr euer bisher gelebtes Leber zusammenfassen?
TILO WOLFF AND ANNE NURMI: Eine recht heftige Frage, die man in dieser Form wohl kaum beantworten kann, Allerdings sind unsere Texte oftmals sehr autobiographisch…
Was haltet ihr von der Menschheit?
TILO WOLFF AND ANNE NURMI: Charlie Chaplin sägte einmal sinngemäß: Jeder Mensch für sich betrachte ist ein wunderbares Wesen, die Menge allerdings ist ein Ungeheuer ohne Kopf, das sich in jede Richtung treiben lässt. Ich finde das ziemlich treffend formuliert.
Gibt es etwas, was ihr hasst, aber unter keinen Umständen ändern könnt?
TILO WOLFF AND ANNE NURMI: Naja, das war’ ja dann wohl eine ziemlich lange Liste… aber eigentlich knüpft diese Frage noch einmal bei der Vorherigen an, denn alles Negative dieser Welt stammt aus Menschenhand! Wenn der einzelne Mensch mehr Mut hätte und öfter gegen den Strom schwimmen würde, dann wäre das schon ein enormer Evolutionsprozess in den festgefahrenen Strukturen und Regeln unserer Gesellschaft und der damit verbundenen Wahrnehmung eines Jeden von uns.
Aber nebst den Querdenkern, die gegen den Strom schwimmen, müssten die Lästermäuler derer verstummen, deren Aggressionen gegen eben diese Querdenker aus ihrer eigenen Feigheit erwächst, da sie selbst nie den Mut hätten, ihren Neigungen zu folgen. Und das führt uns zum Neid, dem ekelhaftesten kollektiven Charakterzug der Menschheit! Wie gesagt, die Liste ist lange…
Was denkt ihr i über Wiedergeburt?
TILO WOLFF AND ANNE NURMI: Wir glauben beide nicht daran.
Tilo, du hast in einem Interview einmal gesagt, dass du schon vor der Entstehung von Lacrimosa Bezug zur Szene hattest. Wie hast du dazu Kontakt gefunden?
TILO WOLFF: Durch ein Mädel, das damals in der Szene war, während ich zu der Zeit noch mit der Punk-Szene geliebäugelt habe. Zuerst war ich nur durch das Erscheinungsbild und die Musik angetan. Erst später, als ich in der Szene mehr Kontakt gefunden hatte, habe ich die Hintergründe kennen und lieben gelernt. Lacrimosa ist deshalb auch eines der Resultate aus meiner Liebe zur Szene.
Was ist euer nächstes größeres Ziel nach der Zusammenarbeit mit dem London Symphony Orchestra?
TILO WOLFF AND ANNE NURMI: Ich denke, man sollte nicht über eine Aussaat sprechen, die noch keine Früchte zu Tage gebracht hat,
Tilo und/oder Anne – seid ihr Borderliner?
TILO WOLFF AND ANNE NURMI: Um Grenzen zu überschreiten, muss man sie vorher sehen. Ansonsten nimmt man das Überschreiten einer Grenze nicht, als solches wahr. Im musikalischen gibt es für uns kaum, Grenzen – ein freies Land sozusagen. Daher würde ich uns nicht als Borderliner bezeichnen.
Seht ihr euch als „Schubladen “-Band, oder könnt ihr euch euch in einem ganz normalen deutschsprachigen Rockkontext sehen?
TILO WOLFF AND ANNE NURMI: Ich sehe Lacrimosa in verschiedenem Kontext, Zunächst sind wir im Underground verwurzelt. Das bedeutet aber auch gleichzeitig, dass wir in der Ausdrucksform unserer Gefühle keinen Regeln unterworfen sind und uns selbst auch keine Regeln auferlegen müssen. Alleine uns selbst gegenüber müssen wir treu bleiben, und diese Treue muss auch in zwanzig Jahren noch Bestand haben!
Ich bin auf einem eurer Konzerte auf mein Dead-T-Shirt „ Viva La Muerte“ angesprochen worden. Habt ihr Probleme damit, dass dieses Motiv an das Lacrimosa-Logo erinnert?
TILO WOLFF AND ANNE NURMI: Eigentlich nicht.
Worin bestellt für euch der Sinn des Lebens?
TILO WOLFF AND ANNE NURMI: Das ist etwas umfangreich zu erklären. Kurz gesagt: begründet sich für uns der Sinn des Lebens durch unserer Glauben an Gott und die diesbezüglichen Zusammenhänge.
Was haltet ihr von Leuten, die nur aus Modegründen eine Weile der schwarzen Szene angehören?
TILO WOLFF AND ANNE NURMI: Wenn’s, ihnen Spaß macht, sie tun ja niemandem weh Schließlich ist die Mode auch ein wichtiger Bestandteil der Szene. Und aus manchem Mode- oder Wochenend-Gothk ‘ist nach einiger Zeit ein tatsächlicher Szenekenner geworden.
Mir ist es lieber, jemand wächst langsam in die Szene hinein, als jemand, der von heute auf Morgen mutiert unc dann meint, er sei nun der heftigste Gothic. Außerdem ist es unsinnig, andere als Pseudos oder Mode-Grufties abzustempeln, denn damit unterstützt man nur die Lästerei, die in der Szene in den letzten Jahren sowieso leider viel zu dominant geworden ist.
Was erschüttert euch in dieser Welt am meisten?
TILO WOLFF AND ANNE NURMI: Das sind zum Beispiel einige Dinge, die wir in unserer Texten öfters ansprechen. Im Grunde kann ich nur wiederholen, was ich vorhin schon gesagt habe: Alles negative dieser Welt stammt aus Menschenhand, die ihrerseits durch des Menschen Geist geführt wird…
Wovor fürchtet ihr euch?
TILO WOLFF AND ANNE NURMI: Vor Krankheit und dem Verlust der Kreativität.
Wer sind eure Vorbilder?
TILO WOLFF AND ANNE NURMI: Richtige Vorbilder haben wir zwar nicht, allerdings gibt es einige Künstler, die wir sehr schätzen und die uns faszinieren, wie zum Beispiel Charlie Chaplin oder der junge David Bowie.
Die Fragen stellten Franziska Timks aus Sehma, Silvia aus Wittingen, Susan Michael Rösch aus Halle, Vera Tegethoff, Michelle, Heiko aus Dürkheim, Uta Bergmann aus Niederaula, Torben Heinrich, Cindy aus Berlin, Frauke, Miriam Sollweig und Jan-Uwe Michels aus Kiel.
1999, Zillo
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